Wohnopoly: Ein Rückblick auf die Lesung mit Caren Lay

Auf Einladung der LINKEN las am 14. November 2022 Caren Lay, Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik, aus ihrem neuen Buch „Wohnopoly – Wie die Immobilienspekulation das Land spaltet und was wir dagegen tun können“. Die Veranstaltung fand in den „Freiräumen“ in der Hofhalde in Konstanz statt, ein eher kleinerer Raum, der schließlich vollbesetzt war.

Die Lesereise von Caren Lay durch Baden-Württemberg hatte Luigi Pantisano organisiert. Er führt auch in den Abend ein: Aus seiner früheren Tätigkeit im Berchengebiet sowie aus dem OB-Wahlkampf weiß Pantisano genau, wie gerade in Konstanz dieses Thema virulent ist. Aber auch sonst zählen Baden-Württembergische Städte zu den teuersten in der Bundesrepublik. Weitere Stationen von Caren Lay sind Heidelberg, Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe.

Das Buch Wohnopoly durchziehen mehrere Themen. Als „roten Faden“ wählt Caren Lay an diesem Abend die Gemeinnützigkeit. An anderen Terminen hatte sie andere Aspekte des Buches in den Vordergrund gestellt. Z.B. die systematische Demontage des Mietrechts, die Privatisierung des öffentlich verwalteten Wohnraums, die Immobilien-Lobby in Berlin oder wie die Wohnungswirtschaft in Deutschland internationalen Fonds und Heuschrecken zum Fraß vorgeworfen wurde.

Die Gemeinnützigkeit von Mietwohnungen bedeutete im Kern zwei Dinge: Erstens durfte für gemeinnützige Wohnungen dauerhaft nur eine Kostenmiete erhoben werden, eine Miete also, die lediglich die Kosten für die Wohnung deckte. Die Kosten durfte durchaus eine Rendite für den Träger enthalten. Diese war allerdings auf 4% gedeckelt. Im Gegenzug wurden zweitens für Erträge aus gemeinnützigen Wohnungen steuerliche Vorteile und Zuschüsse gewährt.

Die Mieten für gemeinnützige Wohnungen orientierten sich also nicht an einem Marktpreis, wo das Maximum an Ertrag aus ihnen herausgeschlagen wird. Wo z.B. die Aktionär:innen von Deutsche Wohnen und Vonovia pro Wohnung 2021 gut 2000 Euro Dividende erhalten haben, Geld, das letztlich die Mieter:innen ohne Gegenleistung in ihren Mieten aufbringen.

Der gemeinnützige Wohnungsbau entstand im Kaiserreich und war in der Weimarer Republik und insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg ein erfolgreiches Konzept, um weiten Teilen der Bevölkerung ein erschwingliches Dach über dem Kopf zu schaffen. Dass die Gemeinnützigkeit dann 1990 abgeschafft wurde, hatte mehrere Ursachen:

Selbstverständlich war die Gemeinnützigkeit schon immer all jenen ein Dorn im Auge, deren Geschäftsmodell in der profitablen Vermietung von Wohnraum besteht. Dass der Staat den entgangenen Steuern nachtrauerte, glaubt hingegen Caren Lay nicht: jeder konnte sich ausrechnen, dass der Aufwand für Wohngeld und andere Unterstützungsleistungen die Steuerausfälle bei weitem übertreffen würden. Ausschlaggebend dafür, dass das Erfolgsmodell schließlich weggeworfen wurde, lag leider nicht zuletzt an deren Trägern, landeseigenen, kommunalen, gewerkschaftlichen, kirchlichen Wohnbaugesellschaften und Wohnbaugenossenschaften, selber.

Ein Anlass war sicherlich der Skandal bei der „Neuen Heimat“, dem gemeinnützigen Bau- und Wohnungsunternehmen des DGB, dessen Vorstand Korruption und Bereicherung nachgewiesen wurde. Ausschlaggebend war aber schließlich, dass die Träger der Gemeinnützigkeit deren Abschaffung keinen entschlossenen Widerstand mehr entgegensetzten. Z.B. wurde diskutiert, die steuerlichen Erleichterungen mit Pflichten zur Belegung der Wohnungen zu verbinden. Die bloße Aussicht, womöglich sogar an Sozialhilfeempfänger, Drogenabhängige oder Haftentlassene vermieten zu müssen, verdarb den gemeinnützigen Trägern die Lust an der Gemeinnützigkeit offenbar nachhaltig.

Ein weiterer Faktor lag zudem womöglich banal in der Einfältigkeit der Bundestagsabgeordneten, die nicht bemerkten oder beachteten, dass in einem Gesetzespaket mit dem Aufregerthema steuerfreies Flugbenzin auch die wesentlich weittragendere Abschaffung der Gemeinnützigkeit von Mietwohnungen enthalten war. Zumindest deuten die Protokolle der damaligen Debatten darauf hin.

Nachdem die Grünen noch im Frühjahr 2021 mit einer Gesetzesinitiative gescheitert waren, ist die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit nun im Koalitionsvertrag der Ampel immerhin vereinbart. Leider heißt das erfahrungsgemäß nicht viel. Zumal, wie bei der Lesung aus dem Publikum eingewandt wurde, die Profiteure der Abschaffung der Gemeinnützigkeit keine Reue zeigen und nach wie vor Appetit auf weitere Beute haben. Jedenfalls werden sie die Wohnungen, die einst gemeinnützig waren, nun freiwillig nicht wieder herausrücken. Neue gemeinnützige Wohnungen in nennenswerter Anzahl müssten daher ganz neu gebaut werden, was sich wegen Fachkräftemangel, Materialengpässen, Landverbrauch und Klima eigentlich verbietet.

Die Gemeinnützigkeit ist daher nicht die einzige Idee, die Caren Lay verfolgt. In ihrem Buch listet sie 10 Punkte auf: Z.B. steht auch die Einführung eines Mietendeckels auf der Agenda. Dieser müsse atmend sein, also in Konstanz ein anderes Niveau festlegen als z.B. irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Das gerichtliche Scheitern im Land Berlin begründet nicht eine Unzulässigkeit eines bundesweiten Mietendeckels.

Dass die Maßnahmen, die Caren Lay vorschlägt, vor allem die Bundesebene adressieren, liegt nicht nur an ihrer Perspektive als Bundestagsabgeordnete. Offensichtlich liegen die wirksamsten Hebel: Miet- und Steuerrecht, Gemeinnützigkeit, Wohnungsbauförderung und Regulierung der Finanzmärkte in der Kompetenz des Bundestags sowie der Bundesregierung. „Von unten“ kann auf diese Ebene – abseits von Wahlen – vor allem durch Mobilisierung Einfluss genommen werden. Hierfür gibt es erste Anfänge, z.B. die Kampagne zur Enteignung der „Deutsche Wohnen & Co“ in Berlin. Solche Ansätze müssen sich allerdings verbreitern und überregional aufstellen. Auch eine Stärkung der einschlägigen Verbände und „ihrer Lobby“ würde helfen: „Wer ist Mitglied z.B. im Mieterverein?“

Auch auf Landes- und kommunaler Ebene werden wichtige Weichen in der Wohnungspolitik gestellt. Im Publikum sitzt Winfried Kropp vom Mieterverein Bodensee, der seit Jahren in diesem Bereich arbeitet und ein ausgewiesener Experte und Verhandler ist. Im Land besteht z.B. das Problem, dass es zwar einiges an Fördermitteln gibt. Die Bauträger, die dieses Geld abrufen und einsetzen könnten, existieren aber nicht mehr oder haben kein Interesse daran. Niedrige Zinsen und hohe Profiterwartungen bremsten die Bereitschaft, sich z.B. auf eine soziale Bindung der Wohnungen einzulassen. Zumindest das mit den Zinsen dürfte sich jetzt ja eventuell ändern.

In Baden-Württemberg gibt es allerdings auch positive Beispiele. Z.B. hat Konstanz eben „seine Wobak“ noch, die in ihrem Bestand nach wie vor für viele Menschen faire Mieten garantiert. Die meisten anderen Städte haben ihre Wohnungsbaugesellschaften in den 1990er Jahren verramscht. In Tübingen hingegen gibt es eine vielfältige Kultur aus Wohnbaugenossenschaften und anderen kleinen Bauträgern. Um ihre Schlagkraft zu bündeln, gründen diese derzeit eine Dachgenossenschaft. Ulm ist hingegen für eine konsequente Bauland-Politik bekannt: Möglichst viele Grundstücke werden von der Stadt erworben, zur Verfügung gestellt werden sie in der Regel in Erbpacht.

Das Thema ist komplex, der Abend wird lange – und setzt sich in der Seekuh fort. Viele weitere Aspekte werden andiskutiert. Andere werden nur angesprochen. Z.B. die spezifische Lage von Konstanz zwischen Natur, See und Schweiz. Oder wie man Wohnen mit Mobilität zusammendenkt und flaches Land mit der Stadt über öffentlichen Nahverkehr verbindet.

Noch mehr Gesichtspunkte werden im Buch „Wohnopoly“ behandelt, das, wie Caren Lay sagt, von Corona profitiert hat: Es ist wesentlich tiefgründiger, als man es gewöhnlich von Politiker:innen erwarten kann. Winfried Kropp erklärt das Buch gar zur Pflichtlektüre für alle, die sich mit Wohnungspolitik beschäftigen. Er hat recht – es lohnt sich.